nachdem ich hier schon diverse schöne Fahrräder bestaunen durfte, möchte ich euch mein aktuelles Projekt vorstellen. Die Idee war, mir ein Electra Townie mit einem Pedelec-Antrieb auszustatten, ohne das Rad mit einem dicken Akku und tausend Kabeln zu verschandeln. Es war eigentlich mehr ein Hirngespinst. Letztes Jahr bin ich eine Weile ein Fertig-Pedelec gefahren, das mir geholfen hat, meinen Inneren Schweinehund zu überwinden und wieder fit zu werden. Als es seinen Zweck erfüllt hatte, war es überflüssig und wurde verkauft. Den Spaß, den man mit einem Pedelec haben kann (muss man einfach mal gefahren sein, hat nichts mit "Opafahrrad" zu tun), habe ich im Kopf behalten, daher das "Hirngespinst". Nun meinte aber mein Knie, ich solle mein Hirngespinst doch bitteschön umsetzen, wenn ich nicht zum Fußgänger werden wollte.
Basis ist ein Electra Townie Balloon 8D. Ich mag die Townies optisch sehr (über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten) und das 8D in Navy fand ich von der Basis her am besten. Navy-Blau mit dicken cremeweißen Fat-Frank-Reifen. Das Townie habe ich schon seit November 2009, wo mich ein Auslaufmodell zum "musst-mich-jetzt-oder-nie-kaufen-Preis" anlächelte. Schutzbleche, eine Anhängemöglichkeit für Taschen (Hebie Rear Rider), wartungsfreie Lampen (die wie ich finde genialen Reelights aus Dänemark) und ein paar andere Dinge mussten gleich dran, schließlich mache ich mit dem Rad auch längere Ausflüge zum Badesee etc. und mag mich weder bei Schietwetter mit Dreck vollspritzen lassen noch einen dicken Rucksack auf dem Rücken zum Nassschwitzen und schon gar nicht von einem Auto im Dunkeln überrollen lassen, was gemeinhin als besonders ungesund gilt.
So sah es dann also nicht mehr ganz jungfräulich, aber dem Originalzustand nicht unähnlich in meinem Wohnzimmer aus, wo auch der anschließende Umbau jeden Tag nach Feierabend stattfand: Der Pedelecantrieb sollte ein in Deutschland legaler sein, d. h. maximal 250 Watt Dauerleistung, Unterstützung nur bis 25 km/h, Aktivierung nur beim Treten. Denn nur damit bleibt das Townie weiterhin ein Fahrrad mit allen Vorteilen wie der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrten in Wald und Natur. Außerdem wollte ich schon noch etwas für die "körperliche Ertüchtigung" tun. Macht ja schließlich Spaß, an der frischen Luft in die Pedale zu treten. Weiteres Ziel war, das unter 16 kg schwere Fahrrad nicht mit mehr als 6 kg Zusatzgewicht zu belasten, soll ja auch ohne Antrieb noch fahrbar und über Treppen tragbar sein.
Die Wahl fiel auf ein 300 Euro teures Vitenso-Set von einem Händler aus Österreich. Kleiner Nabenmotor für das Vorderrad (ideal, das Townie hat eine robuste Stahlgabel und mit Motor dann "Allradantrieb") und ein kompakter Controller, der ohne Bremsabschaltgriffe auskommt, denn er schaltet 0,5 s nach Ende der Tretbewegung den Motor ab. Außerdem hat das Set ein Display mit Akkuanzeige, Anzeige des Stromverbrauchs und der gefahrenen Kilometer sowie der Geschwindigkeit und sechs einstellbare Unterstützungsstufen von ca. 12 km/h bis 25 km/h. Bei Erreichen/Überschreiten der Geschwindigkeit wird die Unterstützung sanft zurück genommen. Die Geschwindigkeit wird aber unabhängig davon, wie schnell und stark ich zusätzlich trete, beigesteuert. D. h. mit mehr oder weniger Eigenleistung steuere ich den Energieverbrauch des Motors und damit die Beanspruchung des Akkus, über die Stufen regle ich dagegen die Geschwindigkeit.
Schneller fahren geht selbstverständlich durch mehr treten jederzeit. So kann ich den Antrieb auf kleiner Stufe auch einfach an lassen und er gibt mir nur beim Anfahren und an Steigungen kräftigen Zusatzschub; eben dann, wenn ich alleine mit Tretkraft zu langsam bin. Ich kann aber auch einfach nur die Pedale im 1. Gang ins Leere bewegen und mich vom Motor ziehen lassen, was allerdings die Reichweite stark beeinträchtigt.
Beim Akku habe ich auf einen 1,8 kg leichten LiMn-Akku mit Sanyo-Zellen gesetzt, der von einem Händler selbst zusammen gebraten wird. Er hat 36 V und 8,4 Ah und kostet knapp 300 Euro plus 70 Euro für ein 4A-Ladegerät, das den Akku in etwa 2:30 Stunden voll macht. Das reicht für 35 km bei kräftiger Unterstützung und weitere 5 km bei dann nur noch leichter Unterstützung. Wenn ich weniger "tretfaul" bin bzw. gemütlicher Fahre, sind Reichweiten von über 50 km aber kein Problem.
Ein paar Bilder von den Details: Der Nabenmotor
Die originale Rahmentasche, in der Controller und Akku stecken. Das bringt auch etwas Gewicht auf das Vorderrad, um die Traktion zu erhöhen. Bei leicht rutschigem Untergrund (Schotter, Sand, nasses Kopfsteinpflaster) ist es trotzdem kein Problem, mit durchdrehendem Vorderrad anzufahren. Erst heute bin ich eine schneebedeckte Steigung hoch, wo das Vorderrad die ganze Steigung lang schneller drehte als das Hinterrad. Macht auch mal Spaß
![Mr. Green :mrgreen:](./images/smilies/icon_mrgreen.gif)
An Kabeln geht nur eines zum Motor (teilweise hinter der Gabel versteckt), eines zum Display am Lenker (da laufen sowieso drei Bowdenzüge hin, da stört das eine Kabel kaum) und eines zum Tretlager. Das habe ich parallel zum Bowdenzug für die Gangschaltung unsichtbar in der vorhandenen Führung im Rahmen verlegt.
Blick in die Tasche (ohne Akku): Weiter geht es in Teil 2, die maximale Bildanzahl ist schon erreicht.